St. Silvester auf der Alm
An dem uralten Weg, der aus dem
Drautal über die Höhen bis Welsberg führte, liegt in 1912 m Höhe, am Fuße des
Toblacher Pfannhorns, auf einem herrliche Aussicht bietenden Hügel, die
vielbesuchte Wallfahrtsstätte St. Silvester auf der Alpe. Luis Oberrauch weiß
im „Schlern“ von einer alten Überlieferung zu berichten, nach der an der
Stelle, wo heute das Wallfahrtskirchlein steht, der sogenannte „Heiligenlärch“
gestanden habe. Lassen wir ihn darüber selbst berichten: Seit undenklichen
Zeiten steht das Silvesterkirchlein auf dem Bühel und dem Platz, wo es einst
ein christlicher Kaiser hat hinbauen lassen, nachdem er die Heiden vertrieben,
die hölzerne Götzen angebetet und auf dem Bühel gehaust hatten. Früher stand
neben dem Kirchlein auch ein uralter gewaltiger Lärchbaum, an dessen Astwerk
hölzerne, wächserne sowie aus Lehm gebildete Figuren von Ross, Rind und Mensch
gehangen. Ein alter Toblacher Pfarrer hatte mit diesem Baum, der weitherum als
„Heiliglärch“ bekannt war, keine besondere Freude, und eines Tages wurde zum
Unmut des Volkes der Baum von fremden Holzknechten gefällt und aufgearbeitet.
Die Hirten von den Almen, die Bauern von Frondeigen und Kandellen, vom
Vierschacher und vom Haselsberg ließen sich aber vom althergebrachten Brauchtum
nicht so leicht abbringen und verrichteten nun fortan vor dem lärchernen Stocke
ihre Andacht, ohne die nahstehende Kirche besonders zu würdigen. Alte Leute
können noch zeigen, wo der Stock gestanden ist. Nach einer anderen Volksmeinung
hätten in der 1. Hälfte des 15. Jh.s viele Raubtiere die Viehherden auf den
Almen derart gefährdet, dass die Hirten Zuflucht zum Viehpatron Silvester
genommen und seine Statue vom Innichner Dom den Sommer über auf die Alm
getragen hätten. Zunächst habe man die Statue unter einem Baume aufgestellt,
später sei eine eigene Kapelle erbaut worden.Die heutige Kapelle wurde im 12.
oder 13. Jahrhundert errichtet und um 1440 erweitert. Am 3. August 1441 wurde
das Kirchlein neu geweiht, im Jahre 1455 vom Bischof von Brixen, Nikolaus
Cusanus, mit Ablässen ausgezeichnet. In jedem Sommer zog nun von Innichen aus
ein großer Bittgang nach St. Silvester, an dem sich die bäuerliche Bevölkerung
des gesamten Hochpustertales zahlreich beteiligte, um durch die Fürbitte des
„Viehheiligen“ Gottes Segen für den Viehstand zu erlangen. Kaiser Josef II.
ließ im Rahmen seiner Reformen 1786 das Kirchlein schließen, in der Folge
verfiel es zusehends. Erst im Jahre 1899 wurde es wieder hergestellt. Seitdem
gehen jährlich wieder Bittgänge von mehreren Pfarreien zum Silvesterkirchl, von
Toblach wird der Kreuzgang jährlich am Fest des hl. Vitus, 15. Juni, gehalten.Im Jahre 2003 wurde die Kapelle
mit Hilfe öffentlicher Institutionen und zahlreicher Spenden aus der Pfarrei
Winnebach und den umliegenden Gemeinden von Grund auf saniert.Das Innere besteht aus einem
rechteckigen Saal mit flacher Holzdecke, an dessen Ostseite eine kleine Apsis
anschließt. Die Gemälde in dieser sind ein Werk der Brixner Schule (15. Jh.),
wahrscheinlich des Meisters von Klerant. An der Leibung des Triumphbogens sind
die Apostelfürsten Petrus und Paulus sowie die Diözesanpatrone Ingenuin und
Albuin abgebildet, an der Rückseite des Bogens zwei Engel, die das Schweißtuch
halten, im Altarraum die Verkündigung, die Geburt Christi, Maria mit dem
Christkind und Heiligen, die Anbetung der Könige, die Aufopferung im Tempel,
die Heimsuchung sowie Katharina und Dorothea. Das Gewölbe ist geziert von
Evangelistensymbolen und Kirchenvätern. Die Holzskulpturen stammen zum Teil aus
dem 15. Jh. (St. Silvester sowie Maria mit dem Christkind), teils aus der Zeit
um 1600 (Relieffiguren zweier Bischöfe, nach Kühebacher der Stiftpatrone
Candidus und Korbinian).
Quelle:
Mairhofer, Hans (1978): Toblach und Umgebung. Verlagsanstalt
Athesia.