Bodeneck


Die Pustertallinie am Bodeneck

Die Periadriatische Linie ist das wichtigste tektonische Störungssystem der Alpen (700 km lang und etwa 10 km tief). Die Linie erstreckt sich circa Ost-West von Nordwest-Italien bis Nordslowenien (Abb. 1).Das Periadriatische Lineament ist die tektonische Grenze zwischen den Südalpen, die einen nicht oder sehr niedrigen alpinen metamorphen Abdruck aufweisen, und den stark metamorph betroffenen West-, Mittel- und Ostalpen.Das Periadriatische Lineament stellt die Kontaktzone zwischen der euroasiatischen Platte im Norden und der adriatischen Mikroplatte im Süden, Teil der afrikanischen Platte, dar.Das Periadriatische Lineament stellt auch eine wichtige tektonische Grenze zwischen den Gesteinen der Südalpen mit Verformungen (Falten und Überschiebungen) in Richtung Süden und dem Hauptkörper der Alpen, wo die Gesteine Richtung Norden verschoben worden sind, dar.
Abb. 1 - Übersicht des Periadriatischen Lineaments. (von https://en.wikipedia.org/wiki/Periadriatic_Seam)
 
Das Periadriatische Lineament ist ein Oberbegriff für das gesamte Störungssystem, das aus vielen verschiedenen Teilen oder tektonischen Störungen besteht. Diese sind von West nach Ost: Cremosina Linie, Canavese Linie, Tonale Linie, Giudicarie Linie, Meran-Mauls Linie, Pustertal Linie, Gailtal Linie und Karawanken Linie.Die Breite dieses Störungssystems (Bewegungszone innerhalb der Erdkruste) kann lokal bis zu mehreren hundert Metern betragen.Die Entwicklung des Periadriatischen Lineaments ist sehr komplex und dauert sehr lange (zumindest seit dem Oligozän, sprich vor etwa 30 Millionen Jahren): Die Bewegungsrichtung entlang der verschiedenen Segmente des Lineaments hat sich in der Vergangenheit viele Male geändert: von Seitenverschiebung (dextral oder sinistral) bis hin zu kompressiven Aufschiebung.In Südtirol verläuft die Periadriatische Linie (PL) von Proveis (Nonsberg) nach Meran und dann nach Mauls (mit NNW-SSO-Richtung). Von Mauls nach Osten ändert sie die Richtung (ca. W-O) und verläuft entlang des Pustertals bis nach Winnebach. Im Bereich des Silvestertales verläuft die Pustertal-Linie von Kandellen übers Bodeneck und weiter nach Winnebach.Südlich der Periadriatischen Linie  zeigt die Südalpin-Einheit Gesteine der Dolomitabfolge, während nördlich der Linie meist sehr alte metamorphe Gesteine wie Gneis, Marmor und Schiefer (alte Gesteine aus der Afrikakruste) zu finden sind; sie bilden die Ostalpin-Einheit. Erst im Tauern-Fenster tauchen die tiefsten tektonischen Einheiten auf: eine erste oberflächliche Einheit (Penninikum) besteht hauptsächlich aus triassischen und jurassischen Gesteinen des ehemaligen Meeresbodens zwischen Paläo-Afrika und Paläo-Europa, die während der kontinentalen Kollision in Metamorphgesteine umgewandelt wurden; eine tiefere Einheit besteht aus alten Gneisen der europäischen Kruste.Das Silvestertal verläuft im Abschnitt zwischen Kandellen und Bodeneck genau entlang der oben beschriebenen tektonischen Störungslinie, bekannt als  Pustertal-Linie. An der Erdoberfläche zeigt diese Linie vertikale,  steil nach Süden und Norden einfallende Flächen, tiefer im Untergrund fällt sie steil nach Norden ein. Da die Pustertal-Linie fast durchwegs von quartären Ablagerungen verdeckt ist, sind direkte Aufschlüsse im Silvestertal sehr selten.Im Bereich des Silvesterbaches trennt die Pustertal-Linie die Quarzphylliten im Süden (das sind sehr alte Gesteine der afrikanischen Platte, die die Basis der Dolomitabfolge darstellen) von den Glimmerschiefern und Gneisen des  Ostalpin (Pfannhorn) im Norden. Auch die Gesteine des Ostalpin sind alte Reste der Afrikanischen Platte, die aber bei der alpinen Kollision auf die europäische Platte verschoben wurden. Sie liegen wie eine breite Decke  auf den Gesteinen der europäischen Platte. Um die Gesteine der europäischen Platte an der Oberfläche zu sehen, müssen wir circa 15 km nach Nord gehen, zum  sogenannten Tauern Fenster (sh. oben)Eine weitere Besonderheit ist, dass im Silvestertal entlang der Pustertal-Linie nur selten die Grundgebirgseinheiten von Südalpin und Ostalpin im direkten Kontakt zusammentreffen, da direkt im Norden der Linie ein schmales Band von 250 m Breite mit mesozoischen Karbonaten des Drauzugs eingeschaltet ist (aufgeschlossen z.B. bei der Silvesterkappelle). Dieses Band, das mit den Lienzer Dolomiten verbunden ist, wird im Norden durch eine weitere tektonische Störungslinie, die steil nach Norden einfallende Drautal-Linie begrenzt.